Regularien zur De-Regulierung
16.10.`18
Ein "Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur" hat sich in
einem Gutachten für die Abschaffung von Gesetzen ausgesprochen, die das Taxigewerbe regulieren.
Wir alle haben
die Presse verfolgt, die nachgewiesen
hat
, dass Lobbyisten von Uber und Anderen Einfluss
auf die Meinungsbildung der Politiker genommen haben, genau wie dies jener Beirat ganz offiziell und
legal tun darf.
Wir haben auch das
Statement unseres Verkehrsministers
gesehen und uns gewundert, warum der Mann augenscheinlich nicht weiß, wovon er spricht. Statt
konkrete Probleme oder Missstände zu nennen, sieht man ihm dabei zu, wie er in seinem Kopf nach etwas
handfestem sucht, das er im Fernsehen sagen kann.
Die Antwort findet sich vielleicht in jenem Gutachten, das oben erwähnt wird. 16 Wissenschaftler, alle
mit "Prof. Dr." im Titel haben daran mitgewirkt und lassen den Leser ihres Textes am Ende
orientierungslos zurück.
Das Gutachten kann hier herunter geladen werden:
Zunächst beschreiben die Autoren die Ausgangslage und erklären u.A. was ein Taxi ist. Dabei
unterscheiden die
Professoren trennscharf zwischen 3 Taxi-Typen:
- Funktaxi
- Ruftaxi
- Taxistand
Man zuckt die Schultern und fragt sich, was diese Unterscheidung soll, denn wenn ein Funktaxi an einem
Taxistand von
einem Anläufer per Handzeichen "gerufen" wird, ist es was? Einfach ein Taxi, oder?
Am Ende ihres Gutachtens kommen die Professoren auf einen Punkt, der diese Unterscheidung als Grundlage
für die
absurdesten Empfehlungen benötigt, weshalb dem Leser dieser Mumpitz frühzeitig im Text
untergejubelt werden muss, damit der Wahnsinn später vernünftig erscheint.
Zunächst loben die Professoren jedoch die Innovationen, die durch Taxi-Apps entstanden sind und nennen
dabei Taxi.eu und MyTaxi. Sie beklagen jedoch,
der derzeitige Regulierungsrahmen ist noch nicht in einer Realität angekommen, in der eine Qualitätskontrolle auch über Nutzerkommentare in Apps stattfindet, in der Ortskenntnisse durch Navigationsapps bereitgestellt werden und die Bestellung und Bezahlung über das Smartphone erfolgen kann.
Wieder zuckt man mit den Schultern und fragt sich, wo das Problem ist, denn dass alles ist längst Realität:
- Bestellung per Smartie
- Qualitätskontrolle durch Sternchen
- keine mutwilligen Umwege wg. Navi im Smartie
- Bezahlung per Smartie
Alles super, alles super innovativ, von einem "fehlenden Regulierungsrahmen" keine Spur. Kein Wunder, dass der Verkehrsminister im Fernsehen nicht sagen konnte, wo das Problem ist.
¯\_(ツ)_/¯
Doch irgendwann rücken die Autoren des Gutachtens damit raus: Es ist der regulierte Preis.
Der böse Preis
Der regulierte Tarif fürs Taxi ist böse. Er verhindert, dass Taxi-Unternehmer Elektro-Taxis kaufen, er bewirkt, dass sie bei der Steuer betrügen, Umwege fahren und den Mindestlohn nicht zahlen - doch, doch, das argumentieren die da.
Sie empfehlen neben einer generellen Konzessionsfreigabe,
umfassende Preisfreigabe und der Abbau weiterer Regulierungen, aber auch eine intensive digitalisierte Kontrolle der Regeleinhaltung
Denn natürlich muss die Allgemeinheit weiterhin vor dem immer noch latent kriminellen Taxifahrer
geschützt
werden.
Die Professoren erkennen, dass der Staat mit dem regulierten Tarif nicht nur die öffentlichen
Verkehrsinteressen seiner Bürger im Auge hatte, sondern auch einen ruinösen Wettbewerb von
Taxiunternehmern untereinander, verhindern wollte.
Weil früher der Erwerb einer „Kraftdroschke“ und die Ausbildung als Taxifahrer (Ortskenntnisse) mit hohen Investitionen verbunden war, die bei einem Marktaustritt teilweise verloren waren, fürchtete man, dass ein freier Markteintritt zu ruinösem Wettbewerb führen könnte.
Die Professoren erklären jedoch:
Die Spezifität der Investitionen von Taxiunternehmen ist inzwischen so gering, dass bei mangelnder Kostendeckung ein Marktaustritt ohne wesentliche Verluste möglich ist.
Mit anderen Worten, wer pleite geht verliert kein Geld. Das beige Auto gibts im Weltbild der
Professoren offenbar umsonst, Beiträge an Zentralen, Kosten für Geräte - alles Peanuts.
Im Weltbild der Professoren investieren die Taxiunternehmer sogar in die Ausbildung ihrer Fahrer.
Dass Fahrer in der Regel alle Kosten für den Taxischein selbst tragen, war ihnen nicht bekannt.
Aber das beste kommt zum Schluss: Die Ideen der Professoren zur De-Regulierung des Taximarkts. Neben
Abschaffung der Rückkehrpflicht, der Ortskundeprüfung und des Begriffs "Mietwagen", schlagen sie vor,
dass die Preise freigegeben werden.
De-Regulierung durch Regulierung
Ruftaxi
Dass aber schwankende Preise, die mit schwankender Nachfrage einhergehen, "von Kunden oftmals nicht
als fair empfunden" würden, sehen die Professoren zwar als Problem, würden aber vorschlagen, den
absehbaren Streit zwischen Kunden und Kutschern einfach "dem Markt" zu überlassen.
Wenn es also regnet und eine Graupe - also das was sie anfangs als "Ruftaxi" definiert haben - verlangt
den x-fachen Preis, dann gäbe es zwar sicher Streit mit dem Kunden, aber das ist jetzt erstmal egal,
sagen sie damit indirekt.
Sie geben zu, dass Preisverhandlungen im "Ruftaximarkt" schwierig sind, wenn Kutscher und Kunde im
Regen erst über den Preis feilschen, bevor es überhaupt los gehen kann. Sie erkennen, dass
Preisverhandlungen auf der Straße
Transaktionskosten
bewirken und geben zu, dass
Dem Vorteil von Ruftaxis, sofort die Fahrt beginnen zu können, steht der Nachteil entgegen, dass der Taxifahrer einen erhöhten Preis verlangen kann.
Aber sie prognostizieren, dass die Kunden dann eben per App bestellen oder eine Zentrale anrufen
und der geldgierige Graupenfahrer leer ausgehen wird, hähä.
Dass aber genau diese Graupe vermutlich auch
bei der nun vom Kunden durchgeführten App- oder Zentralenbestellung genau derjenige Wagen sein würde,
der genau diesen Auftrag erhält, weil er am dichtesten beim Kunden ist - Feinheiten. Lästiges Detail
ihrer brillanten Vorschläge zur De-Regulierung.
Taxistand
Bei der "Taxistand"-Kategorie sieht die Sache für die Professoren jedoch schwieriger aus. Denn wenn der
Tarif fällt, fällt auch die Beförderungspflicht. Da man aber verhindern will, dass Kutscher von der
neuen Freiheit auch Gebrauch machen und weil die Professoren erkennen, dass Preisverhandlungen am
Taxistand an einem Flughafen oder Bahnhof eine dumme Idee sind, setzen sie einfach noch einen drauf.
Da hier eine individuelle Preisfindung nicht möglich ist, sollte der Betreiber eines Taxistands das Recht haben, Tarife, Qualitäten und Pflichtfahrgebiete für die von diesem Stand ausgehenden Fahrten vorzugeben. Dies läuft auf eine Taxistand-spezifische Tarifbindung hinaus.
Also - der Tarif soll fallen, Regulierungen sollen beseitigt werden, aber nicht am Taxistand. Am
Taxistand sollen nach
Vorstellung der Professoren, neue Regulierungen beschlossen und in Gesetze überführt werden, weil
sonst die Ideen der Professoren ja nicht funktionieren würden!
Überhaupt sollen Taxistände nach Vorstellung der Professoren privatisiert und "bepreist" werden. Es
soll Taxistandanbieter geben, die den Tarif bestimmen sollen, den der Kutscher nehmen darf und dafür
dem Kutscher auch noch eine Gebühr abnehmen dürfen.
Um
das zu erreichen, soll es - so ihr Vorschlag - verschiedene Arten von Taxiständen geben. Solche mit
Preisbindung und
solche ohne und nur wer mit oder ohne Preisbindung anbietet, soll sich nur dort, aber nicht da, sondern
im Parkhaus… tut mir leid, ich blicke nicht mehr durch.
Hier das Original:
sollte daraufhin gewirkt werden, dass an wichtigen Verkehrsknotenpunkten neben den Taxiständen mit Betreiber-Vorgaben auch Wettbewerber wie Funktaxivermittler von eigenen (kurz oder langfristig angemieteten) Parkständen aus Fahrten zu ihren eigenen Bedingungen anbieten können.
Funktaxen ohne Tarifbindung, die in Konkurrenz zu den Taxis am Wartestand stehen, sollten an solchen Verkehrsknoten Fahrgäste nur in fest definierten Bereichen (zweiter Taxistand, Parkhaus) aufnehmen dürfen. Das Sonderparkrecht für Taxis „Halten und Parken in zweiter Reihe“ sollte in dem die Warteplätze umgebenden öffentlichen Straßenraum nicht gewährt werden, da es dort die Verkehrslage regelmäßig nicht zulässt.
Es könnte die Gefahr bestehen, dass bei mangelnder Vermittlungskonkurrenz die Betreiber der Taxistände Marktmacht aufbauen und missbrauchen. Die Entwicklung eines Regulierungsrahmens für die Betreiber von Taxiständen braucht jedoch den Liberalisierungsprozess.
Funktaxi
Die Experten mit den "Prof. Dr."-Titeln schlagen
die Aufnahme von Vermittlern in das PBefG verbunden mit einer Registrierungs- und Dokumentationspflicht
vor.
Sie fürchten jedoch, dass die Marktmacht von Zentralen oder App-Vermittlern dazu führt,
dass diese bei einer freien Preisgestaltung, nicht brav bleiben und entweder zu hohe oder zu niedrige
Preise aufrufen und damit entweder Kunden frustrieren oder einen ruinösen Wettbewerb durchziehen.
Deshalb:
Sollte der potentielle Wettbewerb nicht ausreichen um Missbrauch zu verhindern und sollte auch das Bundeskartellamt diesen Missbrauch nicht beenden, kann eine spezifische Regulierung notwendig werden.
Allen ernstes. Das steht da: Das Bundeskartellamt.
Es soll eingreifen, wenn die Ideen der
Professoren partout nicht funzen sollten. Und wenn auch das Bundeskartellamt nicht durchgreifen
kann, dann kommt zwar nicht Bundeswehr, aber es soll eine "spezielle Regulierung" geben, damit die
De-Regulierung endlich gelingen kann.
DSGVO und Multihoming
Ganz am Schluss gibt es in dem Gutachten noch so eine Art Nachtisch. Weil man es
Taxiunternehmern nicht verbieten kann und nicht verbieten will, dass sie bei verschiedenen
Anbietern Mitglied sind (z.B. gleichzeitig bei MyTaxi und
6x6) und weil die Qualitätskontrolle durch Sternchen in der App zur Fahrerbewertung die geilste
und auch einzige
Methode sind, die sich die Damen und Herren Professoren zur Qualitätssicherung vorstellen
können, soll das sogenannte "Multihoming" reguliert werden. Die Daten, die z.B. bei der
Sternchenvergabe anfallen, sollen
durch eine Erweiterung der DSGVO, portierbar gemacht werden, damit sie von einem Anbieter auf
den anderen übertragen
werden können.
Dennoch könnte die mangelnde Übertragbarkeit von Qualitätsbewertungen der Taxiunternehmen oder Taxifahrer sowie die Entwicklung von Bonus- Preis-Systemen den Wettbewerb zwischen den Plattformen einschränken. Eine gesetzliche Vorgabe zur Datenportabilität, die auch solche Bewertungen umfasst und daher über die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) hinausgehen muss, kann den Wettbewerb fördern.
Ehrlich. Das schlagen die vor.
Absurdistan
Um den Taximarkt zu de-regulieren und ihn den Konzernen schenken zu können, schlagen 16
hochkarätige "Prof. Dr.-Experten" die absurdesten Dinge vor. Zur Untermauerung haben sie sich
fadenscheinige Argumente aus den Fingern gesogen, an die man sich am Ende des Textes auch nicht mehr
genau erinnert.
Sie schämen sich nicht, diesen Mumpitz einem Minister vorzulegen und schlagen dann auch noch vor,
ein einfaches und bewährtes System in ein Monstrum zu verwandeln, dass alle Beteiligten
irgendwann in den Allerwertesten beißen wird.
Die Reform des PBefG war als eine Art kurzer Prozess angekündigt worden, aber
bisher ist nichts davon Wirklichkeit geworden.
Die Frage ist, ob unsere gewählten Volksvertreter wirklich bereit sind, sich auf eine solche Groteske
einzulassen.